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freundliche Weise nur von dem Guten, was Sie an uns finden und von uns hoffen; wie
sieht es denn aber mit den schwachen Seiten aus, die Ihrem Scharfsinne gewiss nicht
entgangen sind?"
"Die wollen wir bald durch Fleiss, uebung und Nachdenken zu starken Seiten machen",
versetzte Serlo. "Es ist unter euch allen, die ihr denn doch nur Naturalisten und
Pfuscher seid, keiner, der nicht mehr oder weniger Hoffnung von sich gaebe; denn
soviel ich alle beurteilen kann, so ist kein einziger Stock darunter, und Stoecke allein
sind die Unverbesserlichen, sie moegen nun aus Eigenduenkel, Dummheit oder
Hypochondrie ungelenk und unbiegsam sein."
Serlo legte darauf mit wenigen Worten die Bedingungen dar, die er machen koenne und
wolle, bat Wilhelmen um schleunige Entscheidung und verliess ihn in nicht geringer
Unruhe.
Bei der wunderlichen und gleichsam nur zum Scherz unternommenen Arbeit jener
fingierten Reisebeschreibung, die er mit Laertes zusammensetzte, war er auf die
Zustaende und das taegliche Leben der wirklichen Welt aufmerksamer geworden, als er
sonst gewesen war. Er begriff jetzt selbst erst die Absicht des Vaters, als er ihm die
Fuehrung des Journals so lebhaft empfohlen. Er fuehlte zum ersten Male, wie
angenehm und nuetzlich es sein koenne, sich zur Mittelsperson so vieler Gewerbe und
Beduerfnisse zu machen und bis in die tiefsten Gebirge und Waelder des festen Landes
Leben und Taetigkeit verbreiten zu helfen. Die lebhafte Handelsstadt, in der er sich
befand, gab ihm bei der Unruhe des Laertes, der ihn ueberall mit herumschleppte, den
anschaulichsten Begriff eines grossen Mittelpunktes, woher alles ausfliesst und wohin
alles zurueckkehrt, und es war das erste Mal, dass sein Geist im Anschauen dieser Art
von Taetigkeit sich wirklich ergoetzte. In diesem Zustande hatte ihm Serlo den Antrag
getan und seine Wuensche, seine Neigung, sein Zutrauen auf ein angebornes Talent
und seine Verpflichtung gegen die huelflose Gesellschaft wieder rege gemacht.
"Da steh ich nun", sagte er zu sich selbst, "abermals am Scheidewege zwischen den
beiden Frauen, die mir in meiner Jugend erschienen. Die eine sieht nicht mehr so
kuemmerlich aus wie damals, und die andere nicht so praechtig. Der einen wie der
andern zu folgen, fuehlst du eine Art von innerm Beruf, und von beiden Seiten sind die
aeussern Anlaesse stark genug; es scheint dir unmoeglich, dich zu entscheiden; du
wuenschest, dass irgendein uebergewicht von aussen deine Wahl bestimmen moege,
und doch, wenn du dich recht untersuchst, so sind es nur aeussere Umstaende, die dir
eine Neigung zu Gewerb, Erwerb und Besitz einfloessen, aber dein innerstes
Beduerfnis erzeugt und naehrt den Wunsch, die Anlagen, die in dir zum Guten und
Schoenen ruhen moegen, sie seien koerperlich oder geistig, immer mehr zu entwickeln
und auszubilden. Und muss ich nicht das Schicksal verehren, das mich ohne mein
Zutun hierher an das Ziel aller meiner Wuensche fuehrt? Geschieht nicht alles, was ich
mir ehemals ausgedacht und vorgesetzt, nun zufaellig, ohne mein Mitwirken?
Sonderbar genug! Der Mensch scheint mit nichts vertrauter zu sein als mit seinen
Hoffnungen und Wuenschen, die er lange im Herzen naehrt und bewahrt, und doch,
wenn sie ihm nun begegnen, wenn sie sich ihm gleichsam aufdringen, erkennt er sie
nicht und weicht vor ihnen zurueck. Alles, was ich mir vor jener ungluecklichen Nacht,
die mich von Marianen entfernte, nur traeumen liess, steht vor mir und bietet sich mir
selbst an. Hierher wollte ich fluechten und bin sachte hergeleitet worden; bei Serlo
wollte ich unterzukommen suchen, er sucht nun mich und bietet mir Bedingungen an,
die ich als Anfaenger nie erwarten konnte. War es denn bloss Liebe zu Marianen, die
mich ans Theater fesselte? oder war es Liebe zur Kunst, die mich an das Maedchen
festknuepfte? War jene Aussicht, jener Ausweg nach der Buehne bloss einem
unordentlichen, unruhigen Menschen willkommen, der ein Leben fortzusetzen
wuenschte, das ihm die Verhaeltnisse der buergerlichen Welt nicht gestatteten, oder
war es alles anders, reiner, wuerdiger? Und was sollte dich bewegen koennen, deine
damaligen Gesinnungen zu aendern? Hast du nicht vielmehr bisher selbst unwissend
deinen Plan verfolgt? Ist nicht jetzt der letzte Schritt noch mehr zu billigen, da keine
Nebenabsichten dabei im Spiele sind und da du zugleich ein feierlich gegebenes Wort
halten und dich auf eine edle Weise von einer schweren Schuld befreien kannst?"
Alles, was in seinem Herzen und seiner Einbildungskraft sich bewegte, wechselte nun
auf das lebhafteste gegeneinander ab. Dass er seine Mignon behalten koenne, dass er
den Harfner nicht zu verstossen brauche, war kein kleines Gewicht auf der
Waagschale, und doch schwankte sie noch hin und wider, als er seine Freundin Aurelie
gewohnterweise zu besuchen ging.
IV. Buch, 20. Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Er fand sie auf ihrem Ruhebette; sie schien stille. "Glauben Sie noch, morgen spielen zu
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