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Niemandsland, verdammt noch mal.«
Geschockt vor so viel Hass zuckte Hannah
zurück. »Nur weil ihr Staat noch nicht
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anerkannt ist, heißt das noch lange nicht,
dass er kein Mensch ist.«
»Doch, er ist ein gefährliches Neutrum auf
fremdem Land.«
Jetzt hatte sie die Nase voll von seinem
schwachsinnigen Gerede. Hannah nahm ihre
Hand von ihm, als hätte sie sich verbrannt,
und drehte sich um.
»Wo gehst du hin?«
»Dorthin, wo Menschen Gefühle haben und
nicht so einen unsinnigen Quatsch von sich
geben wie du«, schrie sie aufgebracht.
»Das darfst du nicht. Keiner von uns darf die
Grenze überschreiten.« Wütend sprang er
auf sie zu und packte ihren Arm. Die grüne
Farbe der Wut, die sein Gesicht überschat-
tete, erinnerte Hannah an Spinat, den sie auf
den Tod nicht ausstehen konnte.
»Wenn du jetzt gehst, dann erzähle ich allen
hier im Raum, dass du eine palästinensische
Schlampe geworden bist.«
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»Okay, tu dir keinen Zwang an«, schrie sie
und befreite sich aus seiner Umklammerung.
»Lieber eine palästinensische Schlampe als
ein gehirnloser Schwachkopf, der keine ei-
gene Meinung hat. Und noch etwas: Wenn
du es in das Maccabi-Tel Aviv-Basketball-
team schaffen möchtest; ihr Leitspruch
lautet Fair Play den Gegner nicht als Feind
zu sehen, sondern als Person und Partner zu
achten. Darüber solltest du mal
nachdenken.«
Wütend drehte sie sich um und stürmte aus
dem Sicherheitsraum.
Der Atem der Sterne
Beim gemeinsamen Abendessen mit ihren
Eltern versuchte sie einen fröhlichen
Eindruck zu vermitteln, doch in ihrem In-
nersten brodelte es immer noch heftig. Zum
Glück war ihre sonst so aufmerksame Mutter
abgelenkt. Sie war mit einem medizinischen
Problem beschäftigt, von dem Hannah nichts
verstand und das ihre Eltern gerade ausführ-
lich diskutierten.
Das befreite sie von der Pflicht, fröhliche
Anekdoten aus der Schule zu erzählen, und
keinem fiel auf, dass sie nur lustlos im Essen
herumstocherte und keinen Bissen herunter-
bekam. Der Streit mit Leo lag ihr immer
noch bleischwer im Magen. Nachdem ihre
Eltern sich zur Arbeit verabschiedet hatten,
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räumte sie gewohnheitsmäßig die Küche auf,
erledigte den Abwasch und lief dann in ihr
Zimmer.
Nach dem Zähneputzen suchte sie in den
Tiefen ihres Kleiderschranks nach ihrer rosa
Lieblingsbluse, bürstete sich die Haare, bis
sie in weichen Locken über ihre Schulter
fielen, und streifte ihre weißen Ballerinas
über. In der Aufregung des Vormittags war
sie nicht zu ihrem Versteck am Zaun gegan-
gen, aus Angst, dass Leo sie beobachtete.
So ging sie jetzt auf gut Glück dorthin, in der
Hoffnung, Hakim zu sehen. Er enttäuschte
sie nicht. Als sie sich durch das Gestrüpp
zwängte, sah sie eine gebräunte Hand, die
sich durch das Loch schob, um ihr zu helfen,
und kurz danach sah sie seine schwarzen Au-
gen erfreut aufblitzen, als sich ihre Blicke
begegneten. Auf der anderen Seite des Zauns
fiel sie atemlos in seine ausgebreiteten Arme.
»Hannah, Gott sei Dank.« Sichtlich er-
leichtert zog er sie sanft an sich und drückte
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einen Kuss auf ihr Haar. »Ich habe mir sol-
che Sorgen um dich gemacht, als ich von
dem Anschlag erfuhr. Ist alles in Ordnung?«
»Ja, es ist nichts passiert, außer dass der
Wüstenfalke verletzt wurde. Ich hoffe, er
wird sich wieder erholen. Als ich aus dem
Bunker gelaufen bin, wollte ich nach ihm se-
hen, aber er lag nicht mehr auf dem Gras.«
Sie presste sich fest an seinen muskulösen
Oberkörper und überließ sich seiner
tröstenden Umarmung.
Als sie seinen beruhigenden Herzschlag und
die Wärme seines Körpers durch ihre dünne
Bluse spürte, wurde sie ruhiger. Hakim hob
zärtlich ihr Kinn an und musterte sie besor-
gt. »Bist du sicher, dass mit dir alles in Ord-
nung ist«, fragte er mit rauer Stimme.
»Ja, jetzt, wo du bei mir bist, schon. Bring
mich einfach an einen Ort, an dem wir nicht
an den Krieg denken müssen« flüsterte sie.
»Okay, gib mir eine Sekunde.« Hakim
dachte einen kurzen Moment nach und dann
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schenkte er ihr sein sanftes Lächeln. »Was
hältst du von einem Picknick unter
Sternen?«
»Eine wunderschöne Idee.«
»Dann komm mit, dafür müssen noch was
einkaufen.« Sein Arm schlang sich um ihre
Hüften und Hannah schmiegte sich ver-
trauensvoll an ihn. Als ihre Hand seinen
rechten Unterarm streifte, bemerkte sie den
dicken Verband und sah ihn erschrocken an.
»Was ist passiert?« Sie sah, dass sein
Gesicht eine abweisende Miene angenom-
men hatte. »Mach dir keine Sorgen. Das ist
nur eine kleine Brandwunde, bin heute Mor-
gen beim Feueranmachen unachtsam
gewesen.«
Stirnrunzelt schwieg sie. Langsam spazierten
sie durch das Gras. Der Wind trug den erdi-
gen Geruch der Sanddünen vor sich her und
jetzt im goldglänzenden Sonnenuntergang
sahen die Palmen und Orangenbäume des
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Niemandslandes verträumt und romantisch
aus.
»Wenn ich einmal tot bin, dann möchte ich
hier unter den Orangenbäumen begraben
werden. Es sieht so friedlich aus.«, flüsterte
sie an seiner Schulter.
»In Ordnung«, erwiderte Hakim nachdem er
sich von seiner Verblüffung erholt hatte.
»Erinnere mich nochmal dran, wenn es in
achtzig Jahren soweit sein sollte, okay.«
Kurz bevor sie den Stadtrand verließen, band
er ihr noch den Schleier um. Diesmal wählte
Hakim eine Abkürzung und schon nach
wenigen Metern hatten sie den belebten
Souk erreicht. Vor einer buntbeleuchteten
Garküche verlangsamte er seine Schritte und
drehte sich zu ihr um. Verschmitzt lachte er
sie jetzt an.
»Ich weiß gar nicht, was du gerne isst. Du
musst mir ein bisschen helfen«, bat er. Lebst
du streng koscher?«
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»Nein«, lachte sie. »Zeig mir einfach, was du
gerne magst und dann werden wir schon
zusammenkommen.«
Nach kurzer Zeit hatten sie sich entschieden.
In ihrer Tüte befanden sich noch warme Sch-
warmabrote mit Lammfleisch und Tomaten,
eingelegtes Kürbisgemüse, köstlich duftende
in Honig getränkte Hawalas und eine
Flasche Tamarindensaft. Der sanfte Klang
eines arabischen Liebesliedes tränkte die
sommerwarme Luft und begleitete sie aus
der Gasse hinaus. Der Flair der arabischen
Nacht und vor allem Hakims Anwesenheit
hatten ihr erhitztes Gemüt des Vormittages
beruhigt.
Jetzt war sie vollkommen entspannt und
fühlte eine wohltuende Wärme durch ihre
Adern strömen. Als sie etwas außerhalb der
Stadt eine kleine Anhöhe erreichten, griff er
nach ihrer Hand und dirigierte sie rechts auf
einen verborgenen Pfad. Nach wenigen
Metern endete er vor einem zweistöckigen
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sandfarbenen Atriumhaus, das die Farbe der
Wüste reflektierte.
»Mein Zuhause«, erläuterte Hakim und dre-
hte den Kopf, um sie anzusehen. »Wenn du
nichts dagegen hast, möchte ich dich vorher
gerne meiner Mutter vorstellen.«
»Oh.« Perplex sah sie an sich herunter und
fragte sich, ob das wohl der richtige Aufzug
war. Doch Hakim legte ihr die Hände auf die
Schulter und sah sie mit seinen dunklen Au-
gen an. »Du bist wunderschön, Hannah, egal
was du anhast.« Sein Daumen streichelte
zärtlich ihr Gesicht. »Komm!« Einladend
öffnete er die Eingangstür und zog sie in ein-
en riesigen Innenhof, der zum Himmel hin
offen war. Schüchtern folgte sie ihm und als
er die Küche betrat, fragte sie sich zweifelnd,
ob seine Mutter eine Jüdin in ihrem Haus
wohl gutheißen würde.
»Salam u aleikum. Allah ma´ aki«, rief er.
»Verzeih mir die Störung. Mutter, das ist
Hannah.« Dann zog er Hannah nach vorne.
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»Und das ist Wahida, meine Mutter«, stellte
er sie voller Stolz vor.
»Hallo, Hannah«, erwiderte diese lächelnd.
»Willkommen in unserem Haus, möge der
Friede mit dir sein.«
Einen Moment lang war Hannah überrascht
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